Genussreise nach Zypern

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Yavas, yavas – immer langsam war eine Gruppe des Slow Food Conviviums München im Mai unter dem Motto „Nordzypern kulinarisch entdecken“ unterwegs, um Land und Leute sowie die sehr abwechslungsreiche Küche kennenzulernen. Unser Ziel war das 2004 als bestes Hotel Nordzyperns ausgezeichnete Slow Food Fördermitglied Hotel Bellapais Gardens, das unterhalb der gotischen Abtei Bellapais inmitten eines üppigen Gartens liegt.Hungrig stürmten wir das Hotel, nachdem keiner im Flugzeug gegessen hatte. Kalte und warme Mezze (Vorspeisen) wie Hummus (Kichererbsenmus), gemischter Salat mit frischem Koriander, warmer Artischockensalat, Yasik (Zsaziki mit wenig Knoblauch, dafür mit Minze), gebratene Lammleber und mit Schafskäse gefüllte Teigtaschen (Börek) schafften Abhilfe, ehe der Hauptgang mit gefüllten Paprika, Gurken und Artischocken und als Nachspeise Baklava (Blätterteiggebäck mit Nüssen, Pistazien und Honig) und Obst serviert wurden.

Gleich am ersten Abend diskutierten wir die Gründung eines Slow Food Conviviums Nordzypern und ließen über den in Pollenza studierenden Richard Ebner bei Carlo Petrini anfragen. Nach ein paar Tagen erhielten wir die positive Antwort, dass er auch schon einen Betreuer für dieses neue Convivium bestellt habe. Das erste Treffen des zukünftigen Conviviums Bellapais fand am 29. Juli 2005 statt, die Gründungsformalitäten sind eingeleitet.

Zypern ist nicht nur landschaftlich und historisch eine Reise wert – die Küche ist slow: Auf den Tisch kommt, was gerade reif ist, da in den Norden der Insel so gut wie keine Lebensmittel importiert werden. Salat und Gemüse sind in der Sonne ausgereift, der Fisch wird morgens gefangen und liegt dann mittags oder abends auf dem Teller, die Lämmer knabbern wilden Salbei und Thymian und haben ein Schlachtgewicht von etwa 15 kg mit einer unvergleichlichen Fleischqualität, die allgemeines Entzücken auslöste, nicht nur bei Ulla Eller. Sie wanderte beim Grillen am Pool ganz verzaubert mit einem auf der Zunge schmelzenden Lammkotelett in der Hand herum. Wieder ansprechbar meinte sie: „So ein gutes Fleisch habe ich noch nie gegessen“.Im orientalischen Flair der Altstadt Nicosias fühlten wir uns wie in einer anderen Welt: Überall stehen Bauten aus allen Perioden der Geschichte Zyperns seit dem Mittelalter, und in der Altstadt mit ihren kleinen Läden pulsiert das Leben. Neben der gotischen Kathedrale (heute Selimiye-Moschee) liegt der überdachte Markt mit frischem Obst und Gemüse, türkischem Honig, warmem Blätterteiggebäck, und einer Fleischgasse (nur für starke Mägen). Teilweise von der UN restauriert, teilweise verfallen, ist die Altstadt geprägt von schmalen Einbahnstraßen mit überhängenden Erkern, abenteuerlichen Werkstätten, verwunschenen Ecken, Ruinen und überall Mauern und Öltonnen, die die Stadt teilen. Von den venezianischen Stadtmauern aus sahen wir noch Sandsäcke aus dem Jahr 1974 in den Fenstern sowie zugemauerte Fenster mit Schießscharten und kehrten dann im ehemaligen Pfarrhaus der Kathedrale zu einem traditionellen Mittagessen mit Köfte (Hackfleischbällchen), Salat, Joghurt, Makkaroni und Bratkartoffeln ein. In der osmanischen Karavanserei aus dem 16. Jahrhundert mit kunstgewerblichen Läden und Mini-Moschee im Innenhof gibt es heute stilecht Kaffee.

Imposante venezianische Festungsmauern mit Wehrtürmen und Wassergräben umgeben die Altstadt Farmagustas. Im Mittelalter sollen hier in der reichsten Hafenstadt der Levante 365 Kirchen gestanden haben, viele davon sind heute Ruinen. Hier erlebten wir Geschichte hautnah: Versteckt hinter der Wehrmauer das mittelalterliche „Othello-Schloß“, himmelstrebend filigran die spätgotische Kathedrale (heute Lala-Mustafa-Pascha-Moschee), in welcher die fränkischen Könige Zyperns zu Königen von Jerusalem gekrönt wurden, faszinierend das kleine archäologische Museum und überwältigend die Auswahl unter anderem an Baklava-Sorten bei Petek, der größten Konditorei im Norden Zyperns. Beklemmend die verfallenen Hotelanlagen im Süden Farmagustas – Bäume wachsen aus den Fahrstuhlschächten, und die Geisterstadt am Strand wird von der UN bewacht.In Salamis picknickten wir auf der obersten Stufe des antiken Theaters ganz stilvoll mit weißer Tischdecke und richtigem Geschirr, während korinthische Säulen vor uns aufragten und hinter uns Strand und Meer lockten.

Und immer wieder Mezze: in einem versteckten Lokal biegt sich der Tisch mit kleinen Tellern unterschiedlichster Vorspeisen – größtenteils Gemüsegerichte mit Kartoffeln in Olivenöl, Auberginen gebraten und püriert, Tomaten, Salat mit frischem Koriander, rote Beete, gedünstete Pilze, wilder Spargel, dicke Bohnen, sauer eingelegte Kapernblätter und eine Art Cous-Cous aus Weizenschrot. Dazu Hummus und Tahine (Sesamcreme), Joghurt und etwas getrocknetes Fleisch. Warme Mezze mit Lammwürsten in Pilav-Brot, gegrillter Hellim-Käse, Blätterteigröllchen mit Feta-Käse gefüllt und Lammfleisch vom Spieß.

Am halbrunden Hafen von Kyrenia, wo Friedrich der Staufer Kreuzfahrergeschichte geschrieben hat, liebäugeln wir mit Kaffee oder Brandy Sour. Die Restaurants sind jedoch für Slow Food Ansprüche zu touristisch.

Haben wir irgendetwas noch nicht probiert? Vieles! Aber das große Fisch- und Meeresfrüchte-Galadiner am Abend läßt keine Wünsche offen. Frisch-würzig die marinierten Octopusarme, ganz zart die am Spieß gegrillten Baby-Calamares und saftige Rotbarbenfilets begeistern in der Folge. Sabri treibt Selim in den Wahnsinn, da er permanent in der Küche nachkontrolliert, ob sein Chefkoch auch alles richtig macht. Keinesfalls – auf Selim ist Verlaß! Wir sind alle etwas traurig, dass diese Woche so schnell vergangen ist!Zwar standen die kulinarischen Aspekte im Mittelpunkt unserer Reise, doch unser Gastgeber Sabri Abit hat mit viel Liebe und Leidenschaft für sein Land geduldig alle Fragen über Geschichte, Land und Leute sowie Politik beantwortet und uns diese liebenswerte Insel nahegebracht. Zum Dank überreichten wir ihm vor unserer Abreise feierlich den Wimpel des Conviviums München, der nun Platz an der Rezeption seines Hotels gefunden hat.

Die Reise „Nordzypern kulinarisch entdecken“ kann gerne für andere Convivien für Gruppen von 8-10 Personen organisiert werden.
Bei Interesse bitte wenden an
Annette Rudolf
Alramstraße 29
81371 München
Tel.: 089/5442380
a.rudolf@consulta-muenchen.de

Fotos (c) by Horst G. Hartwig MUC