Einmal mehr: Burgund. Die Region im Osten Frankreichs war zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren Ziel einer Reise von Slow Food-Mitgliedern des Conviviums München. Doch anders als beim Besuch im Herbst 2017, bei dem die Côte d’Or im Mittelpunkt stand, führte der Weg diesmal ins Département Saône-et-Loire. Das Motto: Von Kirchen und Klöstern, von Küchen und Kellern weckte Erwartungen.
Der Süden Burgunds ist für viele nur Durchgangsstation auf dem Weg zum Mittelmeer. Man rauscht über die A6 von Paris kommend über Beaune und Mâcon Richtung Lyon und weiter – und übersieht die Landschaft, die rechterhand vorbeigleitet und auf den ersten Blick so unspektakulär wirkt. Doch das ist ein großer Fehler. Denn diese Region ist von einer Schönheit, die den eiligen Touristen sofort in den Modus des geruhsamen Dahingleitens versetzt und den Blutdruck senkt. Es ist die Gegend der romanischen Kirchen und Burgen, der Charolais-Rinder, der verträumten Weiler und des beeindruckenden, inmitten eines Rebenmeers aufragenden Solutré-Felsens mit seiner schauerlichen Vergangenheit aus prähistorischer Zeit, aber auch (links der Autoroute du Soleil) der burgundischen Bresse mit ihrem Premium-Geflügel.
Nicht zu vergessen: Die Weine der Côte Chalonnaise und des Mâconnais sind jeden Versuch wert. Hier kommen vor allem Weißwein-Liebhaber auf ihre Kosten mit dem erfrischenden Montagny, mit dem nussig-eleganten Rully oder den Tropfen aus der Gegend um Mâcon, bei denen der vornehme Pouilly-Fuissé die qualitative (und auch preisliche) Spitze darstellt. Mit einem kräftigen Mercurey oder eleganten Givry – angeblich der Lieblingswein des „guten Königs“ Henri IV – kommen aber auch Pinot-Noir-Aficionados auf zu ihrem Recht, wenn sie nur bereit sind, auf die Reputation der oft überstrapazierten Namen aus großen Lagen zu verzichten. Ohnehin wird in dieser Gegend die Wiege des burgundischen Weinbaus vermutet. In puncto Qualität – und Lagerfähigkeit – können die besseren Lagen der Côte Chalonnaise durchaus mit den bekannteren Brüdern der Côte d’Or mithalten, und preislich sind sie ohnehin äußerst attraktiv und in Zeiten exorbitant steigender Preise für die Gewächse nördlichen Nachbarn eine ernstzunehmende Alternative, vor allem in den neueren Jahrgängen seit 2015. Talentierte und engagierte Erzeuger haben dort in den letzten Jahren viel dafür getan, das Renommée zu steigern und der Region zu wieder wachsender Bekanntheit zu verhelfen.
Insgesamt eine Woche sollten 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen mit ihren Reiseleitern Markus Hahnel und Johannes Bucej dort verbringen und dabei nicht nur die beiden jahrhundertealten Märkte in Louhans für Bresse-Geflügel oder in Saint-Christophe-en-Brionnais für Charolais-Rinder kennenlernen. Auf dem Programm standen auch einige Stadtführungen und Besichtigungen von Monumenten der großartigen Geschichte Burgunds: ob die alte Handelsstadt Mâcon oder Tournus mit seiner beeindruckenden Abteikirche Saint-Philibert oder Paray-le-Monial, das auch „Taschenausgabe“ des (weitgehend zerstörten) Klosterimperiums von Cluny genannt wird.
Aber natürlich kann man sich nicht in Burgund aufhalten, ohne die Küche und die Weine der Region ausgiebig zu würdigen. Und so waren nicht nur Besuche in kleinen, feinen regionalen Restaurants die Regel – etwa im „Le Saint Martin“ im kleinen Weile Chapaize – , sondern mit der Domaine de Noyer bei Saint-Christophe und zum Abschluss bei Frédéric Ménager auf der Ferme de la Ruchotte in Bligny-sur-Ouche auch zwei Bio-Erzeuger mit angeschlossener Gastronomie. Überhaupt ist Bio ein großes Thema in Burgund, beim Wein ebenso wie bei den Produkten des alltäglichen Bedarfs. Auf dem Markt in Chalon etwa, wo wir für ein Abendessen in unserer Unterkunft einkauften, oder in Louhans, wo wir – begleitet von der burgundischen Köchin Laurence (Lolo) Radouan aus Chalon-sur Saône –uns mit den notwendigen Zutaten für unseren Kochkurs eindeckten. Ihr kritischer Blick auf die Auslagen half, den Überblick zu behalten – übrigens auch bei den Kosten für das Mahl, das die Gruppe unter ihrer Leitung zubereitete: von den leckeren Feuilletés d’escargots (kleine Blätterteigpasteten mit Schnecken) über Poulet Gaston Gérard (ein üppiges, überbackenes Hühnergericht mit viel Sahne und Weißwein) zu den Birnen in Rotwein und dem traditionellen Gebäck „Corniottes“, das den Flügelhauben der Schwestern des Hospitals in Louhans nachempfunden ist.
Ein besonderer Programmpunkt war der Besuch der Tonnellerie François Frères in Saint-Romain ((Link zu Artikel François Frères)). Der Betrieb, der in fünfter Generation von Monsieur Max Gigandet geleitet wird, versorgt die berühmtesten Weingüter mit Holzfässern höchster Qualität. Angefangen von Burgunds Flaggschiff, der Domaine de la Romanée-Conti bis zu renommierten Winzern in mehr als 40 Ländern weltweit (darunter auch einige deutsche) profitieren alle von der Handwerkskunst der rund 40 Angestellten, die in Handarbeit mehr als 30.000 Fässer pro Jahr herstellen.
Damit kommen wir zum Wein: Besuche von Weingütern waren selbstredend obligatorisch, so bei Château de Fuissé, dem führenden Erzeuger von Pouilly-Fuissé, wo uns die Inhaberin Bénédicte Vincent empfing und uns in die Besonderheiten der Appellation einführte. Eine Führung durch die Weinberge direkt hinter dem Gut mit anschließender Degustation der verschiedenen Lagen hinterließ nachhaltigen Eindruck. Großartig, wie die Typizität der einzelnen Lagen hier schmeckbar war.
Bei der Cave de Chardonnay, einer großen Kooperative in Lugny, lief sozusagen das Kontrastprogramm zum familiengeführten Betrieb der Vincents. Mit rund zwei Millionen Flaschen jährlich stillt diese Genossenschaft den großen Weindurst innerhalb und außerhalb von Burgund mit Gewächsen jeder Preisklasse, und das trotz der Größe in beachtlicher Qualität.
Ein kleiner Abstecher führte uns am Schluss der Reise noch an die Côte d’Or, genauer: nach Monthélie. Dort erwartete uns zum Abschluss unserer Reise – nach einem grandiosen Mittagessen in der schon erwähnten Ferme de la Ruchotte – mit Denis Boussey ein alteingesessener Erzeuger mit seinen roten und weißen Weinen aus den unbekannteren – und deshalb auch verhältnismäßig preiswerten – Appellationen der Côte d’Or von Aloxe-Corton und Savigny-lès-Beaune bis nach Auxey-Duresses und Monthélie. Doch auch bekanntere Lagen wie Volnay oder Meursault gehören zu seinem Portfolio. Inzwischen hat Denis die Leitung des Gutes an seinen Sohn Laurent und seine Schwiegertochter Karen übergeben, aber für unseren Besuch nahm er sich dennoch ausreichend Zeit. Wir dankten es ihm mit einem entsprechenden Einkauf in seinem Keller – ein schönes Souvenir, das uns hoffentlich beim Öffnen jeder Flasche noch einmal die Stationen unserer Reise Revue passieren lässt.
Für das nächste Jahr ist eine Wiederholung der Reise vorgesehen. Voraussichtliches Reisedatum:
26. Juni bis 3. Juli 2020. Interessenten können sich jetzt schon melden bei: Markus Hahnel (muenchen@slowfood.de).